Bestattungen, Trauerbegleitung

Trauer hört nicht auf – Abschied nach 50 Jahren

Im Frühjahr dieses Jahres bekamen wir einen außergewöhnlichen Anruf:

„Wir möchten unsere vor über 50 Jahren verstorbene Mutter endlich richtig verabschieden, können Sie uns helfen?“

Auch wenn wir sehr viel erleben, war das wahrlich kein „normaler“ Wunsch im Bestatteralltag.  Dennoch haben wir uns über das Vertrauen, das auf Empfehlung in unser Haus gesetzt wurde, sehr gefreut.

Es gab ein erstes Treffen, um die Situation der drei Schwestern zu verstehen. Auch wenn Trauer sehr weit zurückliegt, braucht sie – wie insbesondere in diesem Fall – einen Raum. Den haben wir geöffnet und gemeinsam mit der Familie erarbeitet, was genau die Bedürfnisse sind und wie wir das Ganze gut begleiten können. Auch eine Trauerrednerin wurde hinzugezogen. Weitere Treffen fanden, auch gemeinsam mit der Rednerin, statt. Danke an Sarah Yurtöven von Redenschirm, die uns so großartig im ganzen Prozess unterstützt hat.

Zur Geschichte:

Die Mutter der bei uns sitzenden drei Schwestern war 1974 nach langer Erkrankung verstorben. Die Schwere der Erkrankung und das Ausmaß wurde von den Kindern ferngehalten. Man wollte sie schützen. Die Beerdigung der Mutter fand – ohne Trauerfeier – im kleinsten Kreis statt, die zwei jüngeren Schwestern durften daran nicht teilnehmen. Der Vater der Schwestern, der seine von ihm sehr geliebte Ehefrau verloren hatte, war sicher auch grenzwertig belastet mit der Situation und hat es immer so gut gemacht, wie er es eben damals konnte.

All das hatte deutliche Spuren bei den drei Schwestern hinterlassen. Sie haben gespürt: Da sitzt noch etwas ganz tief. Fachlich betrachtet spricht man von nachzuholender Trauer. Und auch wenn das vielleicht erst mal komisch klingt: ja, das geht! Trauer lässt sich nachholen.

Wir standen über viele Wochen in engem Kontakt und haben im Lauf mehrerer gemeinsamer und Einzeltreffen einen für alle guten Weg gefunden:

Im Juni war es soweit, und wir haben in einer „ganz echten“ Trauerfeier Frau H. noch einmal gewürdigt und verabschiedet. Es gab persönliche Worte an und über die Verstorbene, zum einen von Sarah Yurtöven, der Trauerrednerin, zum anderen von der Familie direkt. Es gab Musik, ganz speziell und mit viel Bedacht gewählt. Die Schwestern haben mit viel Liebe zum Detail alte Fotos herausgesucht, und auch weitere persönliche Gegenstände fanden in der Trauerfeier einen besonderen Platz.

Das alles ist Trauerarbeit, und ich weiß, dass das für die Schwestern über die vielen Wochen hin noch einmal richtig anstrengend gewesen ist.

Es war eine Trauerfeier, wie wir sie für jeden „normalen“ Sterbefall auch haben. In einem geschützten Umfeld in unseren eigenen Räumlichkeiten. Mit der gebotenen Ruhe und Zeit. Und genau wie auf jeder normalen Trauerfeier sind auch hier Tränen geflossen und gleichzeitig gab es frohe Blicke und sehr viel Dankbarkeit. Mit einem abschließenden Feuerritual haben wir Altes verabschiedet und Wünsche geschickt, jeder hatte die Möglichkeit, seinen Weg zur Verstorbenen zu finden. Da nur wenige der Anwesenden die Verstorbene gekannt haben, war auch das ganz besonders. Wie schön ist es dann, wenn die kleine Urenkelin nach der Feier sagt: „Wir haben meine Uroma gefeiert“.

Es war für uns alle, auch für mich als Bestatterin und Sarah Yurtöven als Rednerin, ein besonderer Prozess und eine besondere Feier.

Nicole Fischer